#1 25 Jahre Bananen und Bier
- David Buri
- 4. Nov. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Nov. 2024
4.November 2024

Kein Weg zurück, keine Masken, keine Euphorie. Jetzt mal ehrlich. Ich bin David und leide seit ich denken kann an Ängsten, vielmehr an einer Bindungsstörung, die sich in eine Agoraphobie ausgewachsen hat - also jegliche Angst vor unbekannten, öffentlichen Plätzen. Zu hell, zu laut, zuviel von allem.
Angst, dass die eigene Existenz in ständiger Bedrohung ist. Weil ich aber dennoch leben wollte, meine Eltern Meister der Verzerrung und des pointierten Schönredens sind, habe ich gelernt Masken aufzusetzen. Ich habe mit grosser Kreativität Avatare von mir erfunden - den Yogalehrer, den Rockmusiker, den Villenvermieter, den erfolgreichen Coach, den Waldschullehrer. Und eines war immer gleich. Ich hatte immer DEN RUCKSACK dabei. Klar, ein Yogalehrer hat seine Sachen dabei. Handtücher, Rollen, Blöcke, und BANANEN und BIER und Wasser und Cola und Kekse und Ohrstöpsel und Duftöl. Überall, wo ich hinging hatte ich mein Notfall Paket dabei. Es könnte jederzeit eine Panik kommen. Und die Angst, dass sie kommen KÖNNTE, wurde immer grösser und grösser. Die Welt da draussen wurde immer unfreundlicher, die Lösung liegt also im Aussen: wenn sich die Welt verbessert, kann auch ich mich verändern. Und solange das nicht geschieht ziehe ich mich zurück in Bandräume, auf eine kleine griechische Insel - dazu zu einem späteren Zeitpunkt mehr - oder in die perfekte digitale Welt des erfolgreichen Coaches, Corona sei Dank. Ich dachte, solange ich nur fest genug daran glaube, dass ich überzeugend bin, bin ich es auch. Und das war ich - glaube ich zumindest...fake it till you make it als Überlebensstrategie. Der Haken dabei: Es ist tierisch anstrengend und ich lande immer wieder am selben Punkt. Nämlich, dass ich eigentlich nie wirklich anwesend bin. Wie soll ich also Beziehungen führen können, Freundschaften pflegen, wenn ich gar nicht wirklich da bin? Also ICH. Das, was mich ausmacht ohne Maske und Verzerrung. Aber wer bin ich, was macht mich denn aus? Ich weiss es nicht. Was bleibt übrig, wenn ich die Maske ablege...? Keine Ahnung. Woher soll ich das wissen?

Na ja seit geraumer Zeit ein Augenzucken. August 2024, Auszeit: Sieben Wochen psychatrische Klinik am schönen Zürichsee. Bisher war meine Krankenakte blütenweiss. Und jetzt kommt der Weg zur Diagnose. EINE Diagnose. Ich bin nicht die Diagnose. Es ist eine Diagnose. Im Dschungel bekomme ich andere Antworten. Anyway, here we are. Ich lerne über meine verschiedenen Anteile, bekomme ein wunderbares Wohlfühlprogramm, lerne vor allem unglaublich tolle Menschen kennen, aber gehe meine Ängste nicht an. Denn Agoraphobie braucht Exposition. Begleitet. Neues Kapitel Expositionstraining: Ab morgen gehe Ich gehe also an genau jene Orte, die Panik in mir auslösen, und gehe dann, gehalten von einem/er Expositionstrainer(in) durch genau diese Panik. Das geht etwa 15 bis 30 Minuten, in denen ich etliche Male glauben werde zu sterben. Der Sinn ist, dass meine Gehirn zwar glaubt, dass ich sterben werde, aber nachdem ich am Ende der Panikattacke noch lebe, mein Gehirn sieht, dass ich nicht gestorben bin, also folglich schrittweise aufhören wird zu glauben, dass ich sterbe und folglich aufhören wird tonnenweise Hormone auszuschütten. Ich werde (insofern ich das überlebe) berichten.
Seit ein paar Tagen spreche ich via Spiegel mit mir. Das gefällt mir. Dem einzigen, dem ich hier etwas vormachen kann, bin ich. Was für eine Erleichterung. Und ausschliesslich ich kann es mir übel nehmen. Aber ich nehms meistens mit Humor. Mal schauen über was wir uns heute Abend unterhalten. David

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